Eine Herausforderung, die man nur gemeinsam meistern kann
Während der Corona-Krise war die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) stark gefordert. Geschlossene Grenzübergänge und systematische Grenzkontrollen, dies waren die prägendsten Massnahmen im Beitrag der EZV zur Bekämpfung des Coronavirus. Doch auch im Hintergrund waren rasche und unkomplizierte Lösungen gefragt.
16.07.2020, Yvonne Siemann
Der 16. März wird den EZV-Mitarbeitenden noch lange in Erinnerung bleiben. Der Bundesrat hatte temporäre Grenzkontrollen beschlossen und Einreiseverbote verhängt, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Dabei war die EZV an vorderster Front gefordert. Der grenzüberschreitende Verkehr wurde stark eingeschränkt, von einem Moment auf den anderen änderten sich auch viele Arbeitsabläufe grundlegend.
Geschlossene Grenzen und systematische Kontrollen
So mussten die Grenzschliessungen sehr rasch organisiert werden. Rund 130 kleinere Grenzübergänge wurden geschlossen, der Verkehr auf einige grössere Grenzübergänge kanalisiert. Plötzlich mussten die Mitarbeitenden sämtliche Reisende kontrollieren, egal ob im Auto, im Bus, auf dem Velo oder zu Fuss unterwegs. An vorderster Front mit dabei war der Grenzwächter Patrik Eggenschwiler: «Besonders für die jüngeren Kolleginnen und Kollegen war das Ganze schon sehr speziell. Vor dem Schengen-Beitritt 2008 hatten wir ja auch systematisch kontrolliert, wenn auch nicht jede und jeden.»
Neben den Grenzwächterinnen und Grenzwächtern standen auch Zollfachpersonen an der Grenze und halfen bei den Personenkontrollen mit. Im Zuge der Weiterentwicklung der EZV hatten solche gemeinsame Einsätze von Zoll und Grenzwachtkorps in den letzten Jahren bereits verstärkt stattgefunden. So konnten die Zollfachleute nun rasch in das Kontrolldispositiv eingebunden werden. Eine davon war die Zöllnerin Sofia Jensen. Sie erzählt: «Wir waren immer bemüht, zügig zu kontrollieren. Die Leute haben meist verstanden, warum die Grenzen geschlossen waren und warum wir die Kontrollen durchführten. Sie schätzten auch, dass wir gut organisiert waren. Nur vereinzelt war jemand verärgert. Es gab auch immer wieder Leute, die sich bei uns für unseren Einsatz bedankten. Manche wollten uns sogar Schoggi geben!»
Aber trotz dem gemeinsamen Einsatz von Zoll und Grenzwachtkorps hätten die verschärften Massnahmen von der EZV mit den vorhandenen personellen Ressourcen nicht über eine längere Zeit aufrechterhalten werden können. Deshalb unterstützte die Armee die EZV mit 50 Militärpolizisten sowie 1800 Angehörigen der Miliz.
Während der Reiseverkehr schweizweit um bis zu 80 Prozent einbrach, floss der Handelswarenverkehr, d. h. Import‑, Export- und Transit, weitgehend normal weiter. Um die Verzollungen trotz geschlossener Grenzübergänge möglichst effizient abzuwickeln, ergriff die EZV diverse Massnahmen, wie zum Beispiel vorrangige Fahrspuren für die Einfuhr von Gütern (sogenannte Green Lanes) oder digitale Kanäle für eine berührungslose Zollabwicklung.
Politische Prozesse und Bürgeranfragen
Doch auch die Mitarbeitenden im Hintergrund leisteten bei der Bewältigung dieser neuen Situation ihren Beitrag. Bei den Grenzschliessungen wie auch bei der schrittweisen Rückkehr zur Normalität waren sehr viele Absprachen mit nationalen und internationalen Partnern nötig. Die schnelle Entwicklung der Pandemie-Situation verlangte ebenso schnelle Reaktionen, wie Marie Jacot als Leiterin der Politischen Geschäfte beschreibt: «Wir hatten beispielsweise für die Stellungnahme zu einer Änderung der COVID-19-Verordnung 2 wenige Stunden Zeit – unter normalen Umständen hätten es Wochen sein können.»
Die Auskunftszentrale der EZV, die an drei Standorten Bürgeranfragen per Telefon und Mail entgegennimmt, bekam die Dynamik der Situation ebenfalls zu spüren. Innerhalb kürzester Zeit musste sie zusätzliche Arbeitsplätze einrichten, da drei Mal mehr Personen Auskünfte wünschten – mit etwa 3500 Anfragen pro Tag wurde am 4. Mai ein Allzeitrekord erreicht. Durchschnittlich melden sich sonst pro Tag rund 500 Personen per Telefon. Patrick Kleis, Leiter des Standorts Schaffhausen: «Wir mussten sehr flexibel sein, weil die Vorschriften rasch änderten und sich die Ereignisse teilweise überschlagen haben.» Schwierig für die Mitarbeitenden waren nicht zuletzt die vielen emotionalen Situationen, die an sie herangetragen wurden, etwa von getrennten Familien. Dennoch sagt Kleis: «Mich hat motiviert, dass ich vielen Leuten in ihrer schwierigen Situation weiterhelfen und sie beruhigen konnte.»
Anschub für die Transformation der EZV
Viel anspruchsvoller als die Grenzschliessung seien jedoch die Lockerungsmassnahmen und damit der Weg heraus aus der Krise gewesen, bilanziert EZV-Direktor Christian Bock. «Von uns wird in diesen Tagen eine sehr hohe Agilität gefordert, wir müssen planen, aber gleichzeitig auch flexibel genug bleiben, um auf Veränderungen sofort wieder reagieren zu können.»
Noch mehr als in normalen Zeiten war während der Pandemie die Zusammenarbeit zwischen sämtlichen Direktionsbereichen und Abteilungen der EZV gefordert – ganz im Sinne der zukünftigen Ausrichtung der EZV. «Aus meiner Sicht hat Corona deutlich gezeigt, dass die Weiterentwicklung der EZV und DaziT absolut richtig und wichtig sind», so Christian Bock. «Wir haben davon profitiert, dass der Zoll und das GWK bereits vor der Krise in einen Direktionsbereich vereint wurden. Wir haben nun wertvolle Erfahrungen gemacht, die wir beim weiteren Vorantreiben der Digitalisierung der EZV miteinbringen müssen. Und: wir sind alle noch viel näher zusammengerückt, die Transformation hat Fahrt aufgenommen, das freut mich sehr.»