Idyllische mediterrane Landschaften und malerische Orte an tiefblauen Seen – mit solchen Bildern wollte man schon um 1900 Reisende ins Tessin locken. Unter dem Titel «Belle Époque – Voralpenseen auf den Plakaten der Schweizerischen Nationalbibliothek» zeigt das Zollmuseum in Cantine di Gandria nun bis zum 18. Oktober zwanzig Tourismus-Werbeplakate aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
13.07.2020, Yvonne Siemann
In der Belle Époque, also zwischen den Jahren 1880 und 1914, konnte sich das wachsende Bürgertum erstmals Erholungsreisen leisten. Die neuen Eisenbahnlinien machten es möglich, Urlaubsziele schnell und bequem zu erreichen. Das galt auch für das Tessin: Nachdem 1882 der Gotthardtunnel eröffnet worden war, verzehnfachte sich zwischen 1880 und 1912 die Zahl der Hotels. Die Touristinnen und Touristen reisten vor allem aus Grossbritannien, Deutschland, Belgien, Russland und den Niederlanden an.
Um die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Feriendestination zu lenken, waren grossformatige Plakate in Hotels und an Bahnhöfen nicht nur für das Tessin ein ideales Mittel. An vielen Orten Europas gab es eigentliche Wettbewerbe, an denen junge und etablierte Kunstschaffende teilnahmen – auch deshalb sind diese Plakate heute beliebte Sammlerobjekte. Die im Zollmuseum ausgestellten Originale, die sonst in der Grafischen Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek lagern, stammen allerdings meist von anonymen Künstlern und wurden in den Mailänder Kunstdruckereien Chiattone und S.A.I.G.A. hergestellt.
Idyllische Landschaften im Zeitalter der Industrialisierung
Das Tourismusplakat sollte mit Bildern von Luxus, Müssiggang, Natur und südlicher Sonne Emotionen ansprechen. Von Blumen umsäumte Terrassen und prächtige Villen direkt am See versprachen eine Flucht aus dem grauen städtischen Alltag und suggerierten italienische Lebensart. Selten fehlen auf den Plakaten die schneebedeckten Alpengipfel in der Ferne. Fröhliche Wäscherinnen in Tracht und Fischerboote romantisieren das Leben der einheimischen Bevölkerung, während die Reisenden selbst nach der damaligen Mode der wichtigsten europäischen Metropolen gekleidet sind.
Doch trotz der idyllischen Landschaft ist das Industriezeitalter stets präsent. Nicht nur erkennt man im Hintergrund oft Dampfschiffe und Eisenbahnbrücken, die den Tourismus in dieser Form erst ermöglichten. Dazu verbinden die Plakate Kunst und Kommerz mit praktischen Informationen: Auf jedem Plakat ist ein Fahrplan für die Anreise abgedruckt.
«Nicht nur geht es bei den Plakaten ums Reisen, auch die Ausstellung als Ganzes ist wie eine Reise in eine andere Epoche», erklärt die Leiterin des Museums, Maria Moser. Ihr Lieblingsplakat stellt ein elegant gekleidetes Paar dar, das sich auf einer Terrasse einer Villa am See zusammen mit ihrem Collie dem Nichtstun widmet. «Es ist ein romantisches Bild, das den Inbegriff von Ferien zeigt: Erholung in einer idyllischen Tessiner Landschaft bei Sonnenschein».
Eine Reise mit dem Kursschiff
Doch die Ausstellung stellt nicht nur eine Reise in eine vergangene Zeit dar. Auch um ins Zollmuseum in Cantine di Gandria selbst zu gelangen, unternimmt man eine kleine Reise mit dem Kursschiff über den Luganersee. Das 1904 erbaute Museumsgebäude diente früher als Grenzwachtposten. Nur wenige Meter von der italienischen Grenze entfernt zeigt es seit 1949 die Aufgaben von Zoll und Grenzwache in Vergangenheit und Gegenwart. Neben der Dauerausstellung nimmt es regelmässig aktuelle Probleme rund um das Thema Grenze für Sonderausstellungen auf. Mit dem diesjährigen lokalen Fokus möchte man nun auch Besucherinnen und Besucher aus dem Tessin ansprechen. Neu ist in dieser Form auch der Eingangsbereich, der nach einer Renovation moderner und luftiger wirkt. Für die kommenden Jahre plant Moser, mehr digitale Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, auf denen die Besucherinnen und Besucher Hintergrundinformationen abrufen können.
Eigentlich hätte die Ausstellung bereits am 5. April eröffnen sollen, der Termin musste aufgrund der Pandemie jedoch verschoben werden. Nun wurde ein Schutzkonzept ausgearbeitet, das sich am gesamtschweizerischen Konzept für Bibliotheken, Museen und Archive orientiert. Museumsleiterin Moser: «Als Bundesbehörde wollen wir mit dem Schutzkonzept mit gutem Beispiel vorangehen». So dürfen sich nur 13 Personen gleichzeitig im Museum befinden und auch die Anzahl Personen pro Raum ist beschränkt. Dazu werden die Oberflächen regelmässig desinfiziert.
Moser hatte erst Bedenken, dass in der gegenwärtigen Situation niemand das Museum besuchen würde. Jedoch stellten sich diese Befürchtungen als unbegründet heraus: «Wir freuen uns, dass wir trotz der Pandemie regelmässig Besucherinnen und Besucher begrüssen dürfen. Sie sind sehr interessiert und begeistert. Dazu schätzen sie auch den grossen Aufwand, den wir bei der Vorbereitung einer Ausstellung haben».
Das Schweizerische Zollmuseum präsentiert die Aufgaben des Zolls und erläutert die Funktionen von Grenze und Grenzwache, früher und heute.