Sehen, ohne selbst gesehen zu werden

Eine kleine Gruppe von Mitarbeitenden der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) ermittelt verdeckt in Fällen von gewerbsmässigem Schmuggel. Forum Z. durfte erstmals einen Blick hinter die Kulissen werfen und die Mitglieder bei einem nicht ganz alltäglichen Training begleiten.

15.04.2020, Ramona Schafer

Ein Parkplatz irgendwo in der Schweiz: Ein silberfarbener Volvo fährt vor, hinter dem Steuer ein junger Mann. Er biegt in ein Parkfeld ein und bringt den Wagen zum Stehen. Er hat kaum den Zündschlüssel gedreht, da kesseln ihn drei Autos mit quietschenden Reifen ein und schneiden ihm den Weg ab. Mehrere Männer springen ins Freie. Aufforderungen rufend reissen sie die Tür des Volvos auf. Der Mann wehrt sich, er wird aus dem Wagen gezerrt und zu Boden gedrückt. Handschellen klicken. Die Männer verfrachten ihn in eines ihrer Autos. Alle springen zurück ins Innere, drücken aufs Gas und sind so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht sind.

Was in diesem Fall nur ein Trainingsszenario ist, kann überall und jederzeit in der Schweiz vorkommen. Und zwar dann, wenn das Mobile Einsatzkommando der EZV zuschlägt.

SOFO Zugriff Parkplatz 01
Das Mobile Einsatzkommando übt den Zugriff auf verdächtige Personen
SOFO Zugriff Parkplatz 02
Die Verhaftung muss schnell gehen.

Im Einsatz für die Zollfahndung

Das Mobile Einsatzkommando ist die Sondereinheit der EZV. Ihre Arbeit ist vertraulich und so dürfen weder ihr genauer Standort, die Anzahl Mitglieder, geschweige denn deren Namen oder Gesichter bekannt werden. Das hat einen einfachen Grund: Die Mitglieder dieser Sonderformation arbeiten verdeckt.

Die Haupttätigkeit des Mobilen Einsatzkommandos ist es, verdächtige Personen zu observieren. Dabei ist Geduld gefragt: Die Mitarbeitenden warten oft stundenlang darauf, dass die beobachtete Person den Ort wechselt oder etwas tut, das den Verdacht gegen sie erhärtet. Während einige dieser Fälle nur einen Tag lang dauern, observiert das Einsatzkommando manchmal auch wochenlang dieselben Verdächtigen. Dabei gehen sie nach dem Motto vor: Sehen, ohne selbst gesehen zu werden.

Das Mobile Einsatzkommando unterstützt in erster Linie den Direktionsbereich Strafverfolgung, insbesondere deren Zollfahndungen und die Vorermittlung. Es kommt beispielsweise zum Einsatz, wenn die Zollfahndung im Bereich des gewerbsmässigen Schmuggels einen begründeten Tatverdacht gegen eine Person hegt. Dies, wenn es um grössere Fälle von Warenschmuggel oder Abgabebetrug geht. So versucht das Mobile Einsatzkommando bspw. durch Observation organisierten Fleischschmuggel zu entlarven oder hilft mit, Vergehen gegen das Artenschutzabkommen aufzudecken, wie zum Beispiel im Fall der beschlagnahmten Glasaale im Frühjahr 2019.

Zugriff üben

Das was als nächstes trainiert wird, geht über den alltäglichen Einsatz gegen den gewerbsmässigen Schmuggel hinaus. Das erste Szenario: Stürmen einer Wohnung, in der sich gesuchte Personen aufhalten. Die Übung beginnt mit einem Knall: Ein Mitarbeiter des Einsatzkommandos rammt die Eingangstüre auf. Die Männer stürmen in die Zimmer der Wohnung, fordern die anwesenden Personen lautstark dazu auf, sich zu ergeben und überwältigen sie, als diese sich zur Wehr setzen.

Bei solchen Übungen mag der Eindruck entstehen, dass es sich beim Mobilen Einsatzkommando um eine Art «Rambo-Truppe» handelt. Das sei aber ganz und gar nicht der Fall, betont A.T., stellvertretender Leiter der Einheit. Das Stürmen einer Wohnung stellt das letzte Mittel dar, um eine Person anzuhalten. Das passiert nur dann, wenn keine andere Möglichkeit besteht, eine Person festzunehmen und kommt entsprechend selten vor.

Ausserdem, so A.T.: «Das Mobile Einsatzkommando darf nicht mit einer Interventionseinheit der Polizei verwechselt werden. Wir sind in erster Linie eine Observationseinheit.» Das Mobile Einsatzkommando hat gemäss Zollgesetz allerdings das Recht, verdächtige Personen im Verlauf einer Observation anzuhalten – sofern dies notwendig ist. Insbesondere der mobile Zugriff auf der Strasse muss geübt werden. Auf solche Situationen müssen die Mitarbeitenden vorbereitet werden, damit alles reibungslos funktioniert und keine Gewaltanwendung, insbesondere ein Schusswaffeneinsatz, notwendig wird. Bisher sei es glücklicherweise aber noch nie nötig gewesen, die Schusswaffe einzusetzen, resümiert A.T.

SOFO Zugriff Wohnung
Zum Training gehört es auch, den Zugriff in einer Wohnung zu üben.

Unterstützung in Terrorsituationen

Ein weiteres Szenario: Zwei Mitglieder der Sonderformation sitzen im Auto, als dieses bei der Anfahrt zu einer besonderen Bedrohungslage plötzlich unter Beschuss gerät. Strategisch das Gegenfeuer eröffnend, springen die beiden einer nach dem anderen aus dem Auto. Sie formatieren sich und bringen sich in Sicherheit.

Hier trainieren die Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos für ein Terrorszenario. Terrorbekämpfung gehört nicht zu den Kernaufgaben der EZV, sondern liegt in erster Linie in der Verantwortung des Bundesamts für Polizei (FEDPOL) und der Kantone. Die EZV ist allerdings Teil des Sicherheitsverbunds Schweiz und kann daher bei allfälligen Terrorlagen unterstützend zum Einsatz kommen. Das heisst konkret: Tritt irgendwo im öffentlichen Raum eine solche Situation ein und sind Mitglieder des Einsatzkommandos in der Nähe des Geschehens, dann sind diese Einsatzkräfte als sogenannter «First Responder» oder zur Unterstützung einsetzbar.  

SOFO Übung Schiessplatz
Die beiden Männer stellen eine Szene nach, in der sie im Auto unter Beschuss geraten.

Regelmässige Trainings

Im Jahr 2019 haben die Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos insgesamt 88 Fälle bearbeitet. Ein Teil davon auch für externe Partner von Bund und Kantonen.

Die Leitung und die Mitarbeiter des Mobilen Einsatzkommandos sind sich ihrer Verantwortung bewusst und wissen, dass eine Observation einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Aus diesem Grund geht das Mobile Einsatzkommando der EZV auch nur mit einem konkreten Auftrag in den Einsatz. Umso wichtiger ist deshalb eine sorgfältige und fundierte Ausbildung- und Weiterbildung. Trainings, in denen sie den Zugriff auf Verdächtige üben, sind dabei ebenfalls ein fester Bestandteil unter anderen. Einmal jährlich müssen alle Mitglieder zum Test und nachweisen, dass sie die nötigen Fähigkeiten für den Einsatz haben.  

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