Interview zum Schmuggel von Glasaalen

Wenn die Tage kürzer und kälter werden, dann hat der Glasaalschmuggel Saison. Die Nachfrage ist immens, vor allem in Asien. Rund 285 000 Tonnen werden gemäss einer Schätzung der japanische Chuo Universität jährlich verzehrt. Wenig überraschend sind die Bestände in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. Der Europäische Aal ist als vom Aussterben bedroht eingestuft. Vor zehn Jahren hat Europol die Operation LAKE ins Leben gerufen. Ihr Ziel: den Handel mit geschützten Aalen zu unterbinden. Auch das BAZG nimmt regelmässig an den Aktionen teil.

22.12.2025, Simon Erny

Anja Mägli

Anja Mägli, Expertin
Internationale Polizei- und Zollkooperation

Weshalb werden Glasaale geschmuggelt?

Der Europäische Aal ist vom Aussterben bedroht und seit 2009 im CITES-Anhang II gelistet. In der EU gilt zusätzlich ein Exportverbot. In Asien, insbesondere in China und Japan, gelten Aale als Delikatesse und die Jungtiere werden mit hohen Gewinnmargen weiteraufgezogen und verkauft. Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Kilo bis zu 6'000 Euro – weit mehr als Kaviar oder Cannabis. Heute operieren im illegalen Glasaalhandel hochorganisierte Banden mit ausgeklügelten Methoden und erzielen enorme Gewinne. In der Schweiz werden diese Widerhandlungen als Verbrechen geahndet.

Die Bekämpfung dieser Machenschaften muss koordiniert erfolgen – so wurde vor zehn Jahren die Operation LAKE ins Leben gerufen.

Ist das BAZG erneut Teil dieser Aktion?

Das BAZG und das BLV beteiligen sich seit 2020 an der Operation. Der Entscheid zur Teilnahme fiel, nachdem es 2019 zu grossen Aufgriffen an den Flughäfen Genf und Zürich gekommen war. Damals konnte man aufgrund von Hinweisen von Europol insgesamt sechs asiatische Kuriere anhalten, die mehrere Koffer mit Glasaalen nach Vietnam schmuggeln wollten. Bei Observationen und einer Hausdurchsuchung wurde klar, dass es sich um eine organisierte kriminelle Gruppierung handelte, die in Genf eine Art Zwischenlager für den Weitertransport der Glasaale aufgebaut hatte.

Glasaale im Koffer (Flughafen Zürich)
Schmuggel von Glasaalen am Flughafen Zürich

Warum findet diese Aktion immer in den Wintermonaten statt?

Weil hauptsächlich Jungtiere (sogenannte Glasaale) geschmuggelt werden und diese in den Wintermonaten vom offenen Meer in die europäischen Küstengewässer gelangen, um von dort die Flüsse hochzuwandern. Der Schmuggel von Jungtieren ist viel lukrativer, da so deutlich mehr Tiere geschmuggelt werden können als bei ausgewachsenen Aalen. So kann ein einzelner geschmuggelter Koffer je nach Inhalt einen Wert von mehreren hunderttausend Franken haben. Die Fangsaison dauert jeweils von November bis April und hat somit gerade begonnen.

In den vergangenen Jahren gab es beim BAZG kaum mehr relevante Aufgriffe, warum?

Das hat verschiedene Gründe: einerseits werden sowohl Modus operandi als auch die Routen stetig angepasst.

Andererseits ist das Phänomen bei uns immer noch zu wenig bekannt, wahrscheinlich auch deshalb, weil wir nicht wie Frankreich, Spanien oder Portugal direkt von der illegalen Fischerei betroffen, sondern «nur» Transitland sind.

Wie lukrativ ist der Aalschmuggel und über welche Kanäle verläuft er?

Äusserst lukrativ. Die Erträge werden aktuell auf etwa 400 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.

In der Regel sind es europäische Staatsbürger (Portugiesen, Franzosen, Spanier), welche die Tiere illegal fischen. Bislang lief der Schmuggel dann über Kuriere im Flugverkehr von Europa Richtung Asien. Laut Europol erfolgt der Schmuggel nun immer häufiger über den Luftfrachtverkehr und via Staaten in Nordwestafrika.

Ist der Schmuggel von Glasaalen «bloss» aus der Artenschutz-Perspektive problematisch?

Nein, nicht nur. Die Gewinne aus dem illegalen Glasaalhandel dienen kriminellen Netzwerken ebenso als Einnahmequellen wie der Menschen-, Drogen- oder der illegale Waffenhandel.

Wer sind die Hintermänner in diesem lukrativen Geschäft, wer profitiert?

Es gibt nicht die eine Glasaal-Mafia, welche das Geschäft kontrolliert, sondern viele verschiedene und lose Netzwerke. Glücklicherweise gelang es im Rahmen der Operation LAKE in den letzten Jahren immer wieder, zumindest Teile der Netzwerke aufzudecken.

Die Europol Operation LAKE besteht nun seit zehn Jahren – was hat sie bis jetzt erreicht in ihrem Kampf gegen den Glasaal-Schmuggel?

In den zehn Jahren haben Behörden in den teilnehmenden Staaten insgesamt über 850 Personen festgenommen und über 100 Tonnen Glasaale beschlagnahmt. Obwohl diese Zahlen beeindruckend sind, stellen sie bei koordinierten Aktionen stets nur einen Aspekt dar. Ebenso wichtig sind die Aufklärung von Staaten, in denen das Phänomen bisher unbekannt war, sowie der Austausch unter den Expertinnen und Experten. Eine solche Aktion bietet immer die Möglichkeit, die eigenen Prozesse und Kontrollmechanismen zu überprüfen. Zusätzlich sensibilisiert die mediale Berichterstattung sowohl die Öffentlichkeit als auch politische Entscheidungsträger.

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