Telematik – wichtige Verbündete bei der Digitalisierung

Während die Apps Activ und Periodic bereits die automatische Aktivierung der Zollanmeldungen ermöglichen, arbeitet die EZV an einem noch ambitionierteren System. Mit Telematik könnte der Prozess von A bis Z digitalisiert werden – ohne Smartphone. Christine Vetsch und Daniel Lorieri wissen mehr. 

06.05.2021, Yanis Gogniat

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Christine Vetsch und Daniel Lorieri, Value Stream Owner und IT-Architekt bei DaziT, schematisieren die Aktivierung mittels Telematik.

Zum Einstieg: Was ist automatische Aktivierung?

Mit dem Programm DaziT werden die Zollprozesse von Anfang bis Ende vereinfacht und digitalisiert. Die automatische Aktivierung ist ein Schlüsselelement im neuen Zollprozess. Sie meldet dem Zoll, wenn angemeldete Waren im Begriff sind die Grenze zu passieren. Da die Ware selbst (noch) nicht lokalisierbar ist, muss ein elektronisches System das Transportmittel identifizieren, das sie befördert. Sobald das betreffende Fahrzeug in definierten Zonen in der Nähe eines Grenzübergangs geortet wird (Geofencing), wird die Zollanmeldung der Waren aktiviert, das heisst sie wird rechtlich verbindlich. Anschliessend wird digital eine Risikoanalyse durchgeführt. Am Ende des Analyseprozesses wird den Fahrerinnen oder Fahrern elektronisch angezeigt, ob sie weiterfahren können oder ob eine Kontrolle nötig ist.

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Detaillierter Aktivierungsprozess mittels Telematik: Wenn das Fahrzeug bei einem Grenzübergang ankommt, wird es anhand der vom Telematikanbieter gelieferten und von der EZV über eine zusätzliche Systemschnittstelle (API) erfassten Daten in der Tracking-Zone geolokalisiert. In der Activation-Zone findet die Risikoanalyse statt. Dem Fahrer oder der Fahrerin wird dann angezeigt, ob die Fahrt fortgesetzt werden kann oder ob eine Zollkontrolle nötig ist. Die Confirmation-Zone beendet den Prozess.

Die automatische Aktivierung im Strassentransport gibt es schon mit den Apps Activ und Periodic. Warum nun noch eine andere Technologie?
Christine Vetsch: Ja, wir haben schon Activ und Periodic für die automatische Aktivierung entwickelt. Sie sind sehr einfach zu bedienen und schaffen einen Mehrwert, haben aber praktische Einschränkungen. Um die Apps zu nutzen, müssen die Fahrerinnen und Fahrer ein Smartphone und eine Internetverbindung haben und den Prozess manuell starten. Wir wollen Activ und Periodic nicht den Rücken kehren, sondern eine ergänzende Lösung entwickeln, die diese Lücken füllen kann. Die Telematik, die sich im Strassentransport immer mehr durchsetzt, ermöglicht eine 100 Prozent automatische Abwicklung der Zollverfahren.

Daniel Lorieri: Der grosse Vorteil dieser Technologie ist, dass sie auf bereits bestehenden Systemen basiert. Ein Grossteil der Transportunternehmen nutzt zur Optimierung ihres Flottenmanagements On-Board-Telematik in ihren Lastwagen. So können sie über den Telematikanbieter Daten zum Standort, zur Geschwindigkeit und den Pausenzeiten ihrer Fahrerinnen und Fahrer sammeln. Für die Aktivierung interessiert uns nur ein sehr kleiner Teil dieser Daten. Wie bei Activ und Periodic müssen wir via Geolokalisierung nur erfahren, wann sich ein Fahrzeug in den für die Aktivierung notwendigen Zonen befindet (siehe Abbildung unten).

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Tracking-Zone, Activation-Zone und Confirmation-Zone bei Ramsen (SH), wo die Fahrzeuge mit dem Start des Pilotprojekts im Sommer 2021 mittels Telematik lokalisiert werden.

Was sind die wichtigsten Vorteile der Telematik?
C. V.: Mit dem Einsatz der Telematik wird eine «Win-Win-Situation» geschaffen. Eine effizientere Abwicklung kommt der EZV und den Transportunternehmen zugute, insofern beide Parteien Zeit und Ressourcen sparen. Mit der vollständigen Digitalisierung des Prozesses könnten auch alle Papierdokumente weggelassen werden. Längerfristig werden all diese Aspekte für einen flüssigeren Fahrzeug- und Warenverkehr an der Grenze sorgen.

D. L.: Die Aktivierung via Telematik ermöglicht eine schnellere Datenübermittlung und Risikoanalyse. Der Einsatz eines On-Board-Mechanismus erhöht auch die Qualität der Daten, die der Zoll für die Risikoanalyse übermittelt bekommt. Kurz: Wir entlasten die Wirtschaft und die Verwaltung und erhöhen gleichzeitig die Sicherheit an der Grenze für Bevölkerung, Wirtschaft und Staat.

Die Voraussetzungen für die Entwicklung der Telematik scheinen günstig – gibt es noch Hindernisse auf dem Weg?
D. L.: Technisch gesehen braucht es nur eine zusätzliche Schnittstelle zu den Telematikanbietern, damit wir die Daten beziehen können, die uns interessieren. Die grössten Herausforderungen betreffen nicht die Entwicklung des Systems, sondern die Infrastruktur, die eingerichtet werden muss, damit das System funktioniert. Bei der Telematik sind die Prozesse automatisiert und physisch nicht sichtbar. Wie wird dem Chauffeur gemeldet, dass er weiterfahren kann oder zur Kontrolle muss? Es können nicht überall spezielle Fahrspuren eingerichtet werden, besonders an kleinen Grenzübergängen ist dies nicht möglich. Deshalb steht die Steuerung der Verkehrsströme mit Telematik im Zentrum unserer Überlegungen.

C. V.: Wichtig ist auch die Absprache mit den Nachbarländern. Wenn das System effektiv funktionieren soll, müssen auch die Nachbarländer die Anpassung ihrer Infrastruktur planen und budgetieren. Auch wenn Übergangslösungen denkbar sind, macht es keinen Sinn eine Technologie zu schaffen, die nur die Schweiz nutzt. Deshalb finden regelmässig Gespräche mit den Nachbarländern und Taxud (Generaldirektion Steuern und Zoll der Europäischen Kommission) statt. Nach dem heutigen Stand sind der Bedarf und der potenzielle Nutzen anerkannt. Nun geht es darum Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?
C. V.: Ein erstes Pilotprojekt startet im Sommer in Ramsen (SH). Ein Logistikunternehmen wird die Schnittstelle testen, die wir in Zusammenarbeit mit zwei Telematikanbietern entwickelt haben. Auch ein erstes, kleines Ampelsystem, um die Fahrerinnen und Fahrer über das Ergebnis der Risikoanalyse zu informieren, wird eingerichtet. Danach werden laufend weitere Unternehmen und neue Grenzübergänge in den Prozess integriert. Unser Ziel ist, dass die Aktivierung mittels Telematik im Sommer 2023 läuft, wenn das neue Warenverkehrssystem Passar eingeführt wird.

D. L.: Insgesamt sind wir zuversichtlich, auch wenn auf dem Weg zum Ziel noch viel zu tun ist. Wir sind überzeugt, dass die Aktivierung mittels Telematik eine grosse Innovation beim Warenverkehr sein kann. Die Möglichkeit, die Digitalisierung der Zollverfahren an der Grenze in Absprache mit den Nachbarländern umzusetzen, ist sehr positiv für die Zukunft.


Technische Lösungen für jedes Transportmittel

Die automatische Aktivierung ist nicht auf den Strassentransport beschränkt. Technische Lösungen für die automatische Aktivierung für andere Transportmittel sind schon in der Pipeline. Im Schiffsverkehr sind Aktivierungen via die ebenfalls auf Telematik basierende Verkehrsmanagementplattform RPIS geplant. Für die Schiene soll die Aktivierung via ZIS erfolgen, die Onboard-Telematikplattform der SBB. Im Luftverkehr schliesslich könnte die Aktivierung an die Systeme für das Luftfrachtmanagement gekoppelt werden.

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