Wie hat ihr Leben auf Malta, das ja als Brennpunkt der Migration gilt, Ihre Sicht auf das Thema und die Art und Weise, wie Sie es fotografisch festhalten, verändert? Stellen Sie es zum Beispiel persönlicher dar?
Auf Malta zu leben hat es mir gerade bei diesem Thema ermöglicht, über eine Geschichte von globaler Bedeutung zu berichten, die sich in meinem Land abspielt. Als ich angefangen habe als Fotojournalist zu arbeiten, dachte ich, man könne nur über grosse internationale Geschichten berichten, indem man ins Ausland reist. Aber in diesem Falle fand ich die Geschichte praktisch vor meiner Haustür. Da ich hier lebe, konnte ich mich für eine längere Zeit in das Thema vertiefen, was nicht möglich gewesen wäre, wenn ich für meine Fotos zu diesem Thema hätte reisen müssen.
Sie haben Migrationsgeschichten mitverfolgt, die von verschiedenen Faktoren bestimmt wurden. Was stellen Sie bei den verschiedenen Situationen für Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest?
In sämtlichen Fällen migrieren die Menschen, weil sie auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und für ihre Kinder sind. Die Reisen, die sie unternehmen, sind so gefährlich, so risikoreich, dass sie diese wohl nie aus einer Laune heraus machen würden. Da spielt ein hohes Mass an Verzweiflung mit. Ich denke immer, einfach nur wegen eines geografischen Zufalls, nämlich wo wir geboren wurden, geht es um sie und nicht um uns. Es könnte auch genauso gut umgekehrt sein: wir und nicht sie.
Erlebt man solche Situationen anders, wenn man durch das Objektiv einer Kamera blickt?
Die Szenen, die sich direkt vor einem abspielen, durch das Objektiv einer Kamera zu sehen, schafft eine gewisse Distanz zu dem, was gerade passiert. Es ist einer dieser psychologischen Mechanismen, der es Fotografinnen und Fotografen ermöglicht, in äusserst schwierigen und entsetzlichen Situationen weiterhin zu funktionieren und die Arbeit zu tun, für die sie da sind. Es hilft dabei, den Moment emotional nicht allzu nahe an sich heranzulassen. Das geschieht erst nachher, und so kommt es zu einer verspäteten emotionalen Reaktion auf das, was passiert ist.
Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, das Thema Migration aus einer professionellen und gleichzeitig sehr sensiblen und menschlichen Perspektive aus zu betrachten.