Focus Team: Den Fokus auf Neues gerichtet
Während einer dreimonatigen Pilotphase hat die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) mit dem Focus Team im Zoll Nord ein neues Einsatzmodell getestet. Dabei hat das Team bewusst neue Kontrollformen ausprobiert.
14.10.2020, Ramona Schafer
An diesem trüben Morgen Ende September steht eine kleine, uniformierte Personengruppe mit hellgelben Leuchtwesten am Hafenbecken der Schweizerischen Rheinhäfen. Angeschrieben mit Zoll und Grenzwache finden sich in der Gruppe sowohl Zollfachleute wie auch Grenzwächterinnen und Grenzwächter – darunter Hundeführerinnen und Hundeführer. Heute wartet Hündin Faith auf ihren Auftritt. Vor ihnen dockt in diesem Moment ein lang gestrecktes Frachtschiff an, das mit unzähligen Containern beladen von Antwerpen kommt. Sobald der Frachter vertäut ist, steigt die Gruppe an Bord, um Mannschaft und Schiff zu kontrollieren.
Im Motorraum des Frachters ist es heiss. Hündin Faith hechelt, während sie zwischen all den Maschinen und Rohren nach Betäubungsmitteln schnüffelt. Diesmal findet sie nichts, erhält zur Belohnung aber trotzdem ihr Spielzeug und Streicheleinheiten. Für die Gruppe heisst es derweil: Weiter zum nächsten Frachter. Es ist einer der letzten Tage, an denen die Mitglieder zusammen als sogenanntes Focus Team unterwegs sind.
Beim Focus Team handelt es sich um ein neues Einsatzmodell, das während einer dreimonatigen Pilotphase in der Region des Zoll Nord Kontrollen des Handelswaren- und Personenverkehrs vorgenommen hat. Neu daran ist beispielsweise, dass im Team sowohl Zollfachpersonen wie auch Grenzwächterinnen und Grenzwächter vertreten sind. Gerade im Bereich des Betäubungsmittelschmuggels und beim Einsatz mit Hunden haben letztere viel Erfahrung. Damit kombiniert das Focus Team viel Wissen aus verschiedenen Bereichen.
Machen, was noch nie gemacht wurde
Es ist mittlerweile 09:00 Uhr, aber an diesem Morgen ist die Gruppe schon seit 04:30 Uhr im Einsatz und hat zuvor am Flughafen bereits Pakete aus dem Ausland überprüft. Nach der Kontrolle am Hafen wird das Team weiterfahren an den Grenzübergang Basel / Weil am Rhein Autobahn, wo Lastwagen mit Handelswaren in der Schweiz ankommen. Die Möglichkeit, immer dort zu kontrollieren, wo gerade die Ankunft von Flugzeugen, Schiffen oder Lastwagen bevorsteht, verleiht dem Focus Team eine grosse Flexibilität und Spontaneität. Es gibt keine Dienstpläne, die Wochen im Voraus festlegen, wann und wo kontrolliert wird. Das Team ist jeweils dort, wo etwas läuft – auch ausserhalb der Abfertigungszeiten im normalen Handelswarenverkehr.
Im Handelswarenverkehr hat es diese Kombination aus spontanen, dynamischen Kontrollen innerhalb einer ganzen Region und zu jeder Uhrzeit sowie der Zusammenarbeit von Zoll und Grenzwache so bisher nicht gegeben. Es sind jedoch solche Einsatzmodelle, mit welchen die EZV künftig flexibel auf rasch auftretende Tendenzen oder unvorhersehbare Ereignisse reagieren können will.
Initiiert und geleitet wurde das Pilotprojekt «Focus Team» von Max Herzig, Dienstchef Betäubungsmittel. «Das Focus Team macht all das an Kontrollen, was noch nie gemacht wurde», erklärt Herzig die Hauptidee. So standen nicht in erster Linie risikobasierte Kontrollen im Fokus, wie sie der Schweizer Zoll im Normalfall durchführt. Kontrolliert wurde gerade auch dort, wo sonst nicht viele Kontrollen stattfinden. Das zeigt sich zum Beispiel an der Kontrolle des Frachtschiffs: Normalerweise wird die Fracht kontrolliert und nicht das Schiff, welches diese einführt. Dadurch, dass das Focus Team dieses Prinzip umkehrt, hoffen sie auf neue Aufgriffe und Erkenntnisse. Potentielle Schmuggler sollen sich verunsichert fühlen.
Erfolg ist Fleissarbeit
Herzig und sein Team haben ein klares Ziel: Sie wollen sich auf grosse Aufgriffe konzentrieren, vor allem auf gewerbsmässigen Schmuggel von Betäubungsmitteln. «Spontan, einfach und fleissig» lautet dabei das Motto für ihre Arbeit. Denn Herzig weiss: «Erfolg ist Fleissarbeit». Man wisse, auf welchen Wegen Schmuggelware in die Schweiz gelange. Bis man darauf stosse, sei es lediglich eine Frage der Zeit.
Die Zollfachleute sowie Grenzwächterinnen und Grenzwächter des Focus Teams sind sich einig, dass die Arbeit in der dreimonatigen Pilotphase sehr abwechslungsreich war und sie viel vom Gegenüber gelernt haben. Als ausgebildeter Grenzwächter meint Max Herzig gar: «Ich bin schon seit 30 Jahren dabei, habe aber noch nie so viel über die Arbeit der Zollfachleute gelernt wie in den letzten drei Monaten».
Die Zusammenarbeit von Zoll und Grenzwache hat in diesem interdisziplinären Team praktisch von Anfang an gut funktioniert. Dienstchef MOBE Andreas Wüthrich und Grenzwächter Olivier Altenbach stellen fest: «Zu Beginn dachte jeder vom anderen, dass man nur etwas genauer hinschauen müsse, um einen grossen Fund zu landen.» Beide haben gelernt, dass es mehr braucht als ein gutes Auge, um einen Schmuggelfall aufzudecken.
Eine positive Breitenwirkung
Die erste Bilanz nach der dreimonatigen Pilotphase fällt für Herzig positiv aus. Nicht nur werden mögliche Schmuggler dort verunsichert, wo sie sich bisher sicher glaubten, auch die Mitarbeitenden profitieren vom breiten Wissen im Team und können Erfahrungen sammeln.
Dass das Pilotprojekt eine positive Breitenwirkung an der Front hat, hat sich für Herzig auch daran gezeigt, dass er während den drei Monaten öfters mal von Mitarbeitenden angesprochen und gefragt wurde, ob es nicht noch freie Plätze im Team gäbe.
Wie es nach dieser Pilotphase mit dem Focus Team weitergeht, ist derweil in Abklärung. Zur Debatte stehen eine alternierende Zusammensetzung des Teams sowie die Zusammenarbeit von Neulingen mit erfahrenen Mitarbeitenden. Wichtig sei vor allem: Das Team müsse agil und flexibel bleiben, damit keine Routine aufkomme.
Was feststeht: Die gemeinsamen Einsätze von Zoll und Grenzwache werden im Zuge der Transformation der EZV zum neuen Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) noch intensiviert und mit der Schaffung des neuen Berufsbilds «Fachspezialist/in Zoll und Grenzsicherheit» zum neuen Standard gemacht.