«Der Posten Fahy ist den Winden sehr ausgesetzt…»
Postenordner waren für das Grenzwachtpersonal lange Zeit ein wichtiges Mittel zur dienstlichen Instruktion. In den letzten Jahrzehnten sind diese spannenden Zeitzeugnisse jedoch in Vergessenheit geraten. Wir haben in der alten «Orientation du poste» des Grenzwachtpostens Fahy I geblättert.
17.02.2021, Roman Dörr, Zollexperte, Zollinspektorat Pratteln
Die uns vorliegende «Orientation du poste» des Grenzwachtpostens Fahy I wurde zwischen 1936 und 1946 verfasst. Der Hauptteil besteht aus Angaben zur Schweizer Geschichte, Dienstweisungen und einem Situationsplan sowie Informationen zu Posten und Dienstort. Ein separater Anhang berichtet unter anderem über den 2. Weltkrieg oder den Terrorakt von 1977. Die Kapitel sind mit einigen von Hand gefertigten Zeichnungen oder Schwarzweiss-Fotografien illustriert. Die nachstehenden Zitate stammen aus diesem Postenordner.
Der Grenzwachtposten Fahy
«Der Grenzwachtposten Fahy I liegt in der Hoch-Ajoie, etwa 800 Meter nordwestlich des gleichnamigen Dorfes.» Bereits vor 1850 zog ein Berner Zolleinnehmer Zölle und Ohmgelder [Steuern auf Branntwein] in Fahy ein. Auf ihn folgte 1850 ein eidgenössischer Beamter. Ein Jahr später wurde mitten in Fahy eine Zollstelle eröffnet. Im Jahr 1876 zog dieses Büro, als «Fahy I» bezeichnet, an den Ort «Les Bruyères».
1893 löste das Grenzwachtkorps die Berner Grenzlandjäger ab. Zehn Jahre später wurde der Posten Fahy I in einen Neubau mit zwei Dienstwohnungen verlegt. «Dieses Haus stellt etwas Besonderes dar, denn es wurde – entgegen dem Zollgesetz – weniger als 2 Meter von der Grenze entfernt, exakt 30 cm von der Nordseite und 40 cm von der Südseite, errichtet.»
1923 kaufte die Verwaltung das ehemalige Grenzcafé «Maison Gallois» und installierte darin den Grenzwachtposten und weitere Appartements für Grenzwächter. Diese drei Häuser bildeten eine kleine Siedlung abseits des Dorfes.
Der Dienst an der Grenze
Die Strasse, welche am Posten vorbeiführt, verbindet Pruntrut mit dem französischen Vallée d’Hérimoncourt. Das flache Gelände vereinfachte einerseits den Dienst, andererseits aber «ist die Grenze in ihrer gesamten Länge […] mit Wäldern gesäumt. Diese Tatsache stellt einen ernsthaften Vorteil für Schmuggler dar, die wissen, wie sie alle Unebenheiten des Terrains ausnutzen können, um ihre Schmuggelfahrten zu tarnen.» Ein weiterer Gegner der Grenzwächter war die Bise: «Der Posten Fahy ist den Winden sehr ausgesetzt und die Serie von Bisen-Stössen den Grenzwächtern nicht unbekannt.»
Fahy I war ein Grenzwachtposten der ersten Linie, der bei Bedarf auf den Posten Fahy II im Dorf zurückgreifen konnte, der nach 1945 aufgehoben wurde. Der Abschnitt Fahy war in drei Überwachungssektoren eingeteilt. Den ersten bildeten die Beobachtungspunkte an der äussersten Grenze. Für den Nachtdienst gab es einen zweiten Sektor zur Kontrolle des Dorfes und seiner Umgebung. Der dritte Sektor bestand aus den Beobachtungsposten im Hintergrund, die hauptsächlich an Strassen lagen, welche Fahy mit anderen Orten im Jura verbinden. Aufgrund der Distanzen zwischen den Beobachtungspunkten wurde «zur Ausführung des Dienstes […] die Verwendung eines Fahrrads» empfohlen.
Landwirtschaftlicher Grenzverkehr und Schmuggel
Die Bevölkerung von Fahy war damals hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig. Bis zum 2. Weltkrieg bauten die Einwohner auf rund 205 Hektar Land in Frankreich an, was zu einem starken landwirtschaftlichen Grenzverkehr führte.
Im Krieg konnten die Äcker, welche die Grenzlinie durchschnitt, auf der französischen Seite nicht bebaut werden. Eine Ausnahme bildete der Hof Beauregard von Familie Güdel: «Herr Güdel brachte weiterhin die Ernte von seinen in Frankreich gelegenen Grundstücken ein, ohne dass die deutschen Besatzungsbehörden dagegen vorgingen. Das Haus hatte die Besonderheit, von der Grenzlinie durchtrennt zu sein.» Diese verlief mitten durch die Küche.
Die Situation begünstigte den Schmuggel und erschwerte der Grenzwache die Überwachung. «Diese Schwierigkeiten hatten Hauptmann Cornaz, den damaligen Korps-Chef, dazu bewogen, die Exterritorialität dieses Grundstücks zu beantragen.» Dieses Ansinnen wurde von den Vorgesetzten zurückgewiesen. Die Probleme bei der Überwachung des Hofs blieben bis zur Grenzkorrektur von 1958 bestehen.
Verglichen mit anderen Grenzabschnitten im Jura gab es in Fahy vor und nach dem Krieg nur wenig Schmuggel. Er beschränkte sich auf Kleider, Schuhe, Fahrrad- und Autoteile.
Schüsse auf die Grenzwache
Lange Zeit war es in Fahy ruhig. Doch diese Idylle wurde eines Tages jäh gestört: Am 2. Dezember 1977 hielt die Grenzwache am Übergang Fahy ein deutsches Paar an, das mit einem in Frankreich zugelassenen Auto in die Schweiz einreisen wollte. Die beiden Grenzwächter nahmen den Mann und die Frau zur Ausweiskontrolle ins Büro mit. Als sich der Verdacht auf gefälschte Papiere bestätigte, eröffnete die Frau mit einer Pistole das Feuer und verletzte die Beamten schwer. Darauf flohen die Täter nach Pruntrut, wo sie ein Taxi bestiegen. Der Polizei gelang es, die Flüchtigen, die später als gesuchte Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) identifiziert wurden, in Delsberg zu verhaften.
Heute ist es in Fahy still. Wegen der Verlagerung des Verkehrs nach Boncourt wurde der Grenzwachtposten Fahy 1990 aufgehoben.